MediaWiki versus Confluence? Keine Frage der Features
1. August 2012
Wenn Unternehmen eine professionelle Wikisoftware einsetzen wollen, stehen sie schnell vor der Frage, ob sie sich für MediaWiki oder Confluence entscheiden sollen. Mit Confluence wurde ein Wiki speziell für die Bedürfnisse von Unternehmen entwickelt. MediaWiki ist dagegen für die große Online-Enzyklopädie Wikipedia konzipiert. Mit über 750.000 Downloads im Jahr ist MediaWiki die uneinholbare Standard-Wikisoftware – auch in Unternehmen.
Richard Heigl
CEO der Hallo Welt! GmbH, Historiker, Wiki-Experte, Buchautor und Redner. 1971 im Ettal geboren, lebt er heute in Regensburg und bloggt und twittert regelmäßig zu den Themen Wiki, Social Web und was die große weite Welt der Informationstechnologien sonst noch so hergibt.
Anhänger von Confluence monierten in der Vergangenheit, dass MediaWiki für Unternehmen nicht wirklich geeignet sei. Und man findet ernsthaft Vergleichsstudien, die ausgerechnet die Erweiterungs- und Anpassungsmöglichkeiten von MediaWiki komplett ausblenden. Dabei ist die Ausbaubarkeit und Anpassungsfähigkeit von MediaWiki ein wesentliches Merkmal der Software. Allein die Projektseite MediaWiki.org listet über 1.800 Extensions. Und seit der Veröffentlichung von BlueSpice gibt es eine komplette freie Enterprise-Distribution für kommerzielle Nutzer, die individuell mit Modulen ausgebaut werden kann.
Um zu zeigen, wie MediaWiki als Unternehmenslösung tatsächlich dasteht, habe ich einmal die häufigsten Einwände gegen MediaWiki gesammelt und kommentiert.
„Confluence verfügt über einen WYSIWYG-Editor“
Für eine größere Benutzerfreundlichkeit und die Akzeptanz ist ein Visueller Editor eine große Hilfe. MediaWiki hat lange Zeit keinen eigenen Editor entwickelt – die technischen Gründe werden wir ein andermal besprechen. In jedem Fall wird MediaWiki im kommenden Jahr einen nativen Editor haben (siehe Artikel in MediaWiki Tech Blog).
Und natürlich gibt es schon heute Visuelle Editoren für MediaWiki. Die Kollegen von Twoonix haben sie alle aufgelistet: Wiki4Enterprise. Mit dem Editor von BlueSpice gibt es sogar einen Editor, der nicht einfach HTML-Code schreibt, sondern MediaWiki-Code versteht und wieder ausgibt. Daneben bietet BlueSpice viele komfortable Dialoge, wie zum Einfügen von Bildern, Dokumenten und Kategorien.

Volle Auswahl: BlueSpice verwendet den führenden Editor TinyMCE. Hier die Ansicht der Funktionsleiste im Expertenmodus
„Die Integration von MS Office und Open Office in Confluence ist nahtlos“
Eine Office-Integration ist in Confluence vorhanden. Aber auch dort treten ganz generell technologische Probleme auf, die nicht so einfach vom Tisch zu wischen sind.
Hier muss auch einmal näher definiert werden, was eigentlich mit „Integration“ gemeint ist. Anbindung von SharePoint-Dokumenten? Dafür gibt es im BlueSpice-Programm ein Modul. Durchsuchbarkeit von Office-Dokumenten? Ist mit BlueSpice auch erledigt. Import und Export von Office-Dokumenten? Das hat Confluence noch die Nase vorn.
Nicht ohne Grund: Importfunktionen werden beim Kunden in der Anfangsphase viel nachgefragt, weil Dokumentenbestände in das Wiki überführt werden sollen. Deswegen hat der Confluence-Hersteller Atlassian mit finanziellem Aufwand ein entsprechendes Tool programmiert. In der Praxis kommt es aber kaum zum Einsatz, weil nach der inhaltlichen Befüllung des Wikis oft kein Bedarf mehr besteht. Oder die große Migration der Dokumente wurde schon im Vorfeld aufgegeben, weil viele Dokumente hoffnungslos veraltet waren oder weil es zu viele Dubletten gab oder beides.
Trotzdem ist richtig: Ein Office-Import- und auch ein Export steht für MediaWiki noch immer auf der Wunschliste. Allerdings hat sich im Export längst das PDF-Format als Standard durchgesetzt. Und dazu gibt es von MediaWiki (Collection) und auch für BlueSpice (Bookmaker) sehr gute Lösungen für den professionellen Einsatz. Das ist der Grund, warum ein MediaWiki Office-Modul auf sich warten lässt.
„Confluence bietet bessere Suchfunktionalitäten“
Mit dem Softwarepaket-BlueSpice integriert man ganz einfach die im Web und in der Softwareentwicklung am weitesten verbreitete Suchengine Apache Lucene, womit eine Suche in Dokumenten, Suche in Filesystemen oder Facettenfilter möglich sind.

Die Suche Apache Lucene in BlueSpice durchsucht auch angehängte Dateien. Über die Facettensuche lassen sich die Ergebnisse komfortabel filtern
„Confluence hat eine bessere Anbindung von Datenbanken“
Was wenige wissen: Mit BlueSpice ist neben MySQL auch PostgreSQL und Oracle möglich.
„Confluence verfügt über eine deutlich intuitivere und ausgereiftere Oberfläche“
Das kommt auf den Anwendungsfall an. Für öffentliche Wikis hat sich die inhaltszentrierte Aufteilung des Vector-Skins durchgesetzt. Für Business-Anwendungen gibt es mit BlueSpice einen professionellen Skin für Intranetlösungen. Weil MediaWiki sich immer weiterentwickelt, gibt es dort gerade wieder eine Usability Initiative. Wer wissen will, wie zum Beispiel Wikipedia bald aussieht, und wie er seine Informationen im Smartphone oder Tablet abrufen wird, kann hier schon mal durchs Schlüsselloch kucken und sich das „Athena“-Projekt ansehen.
„Das Bereichskonzept in Confluence ist sehr granular, die Rechtekonfiguration ist einfacher und transparenter“
Ja, MediaWiki ist von der Rechtephilosophie anders aufgebaut. Die Unterschiede zwischen Confluence und MediaWiki haben viel mit der Geschichte und Zielsetzung der jeweiligen Software zu tun. Ein sehr spannendes Thema, aber ein andermal zu erörtern.
Bleiben wir bei den Features: MediaWiki bietet ein ganzes Arsenal zur Ordnung unterschiedlicher Berechtigungen: Namensräume, die mit unterschiedlichen Lese- und Schreibrechten – und sogar unterschiedlichen Designs – versehen werden können. Die Möglichkeit, die Inhalte in mehrere Wikis zu verteilen, was bei einer freien Software kostenmäßig nicht so ins Kontor schlägt. Die Verwaltung von Gruppen- und Namensräumen ist über BlueSpice komfortabel im Backend möglich.
Seitengranulare Berechtigungen sind in MediaWiki zunächst nicht vorgesehen, können aber zum Beispiel mit der Erweiterung AccessControl realisiert werden. Sofern nicht eine für die Nutzer wesentlich intuitivere und bessere Lösung gefunden wird, was mit ein wenig Beratung häufig der Fall ist.

Mit BlueSpice werden Rechte bequem über das Backend verwaltet
„Der Administrationsbereich von Confluence ist deutlich einfacher zu verstehen und zu bedienen“
Auch das ist mit BlueSpice Geschichte (siehe im Online-Demo: Admin).
„Für Confluence gibt es ein Plugin zum Einkopieren von Dateien per Drag & Drop“
Guter Punkt. Das wollen wir auch schon lange. Zur Cebit 2013 ist geplant, das entsprechende BlueSpice-Modul der Öffentlichkeit zu präsentieren.
„Die Wiki-Struktur in Form von Eltern-Kind-Beziehungen zwischen Wiki-Dokumenten lässt sich in Confluence einfach und unkompliziert ebenfalls per Drag & Drop anpassen“
Die Möglichkeit, Inhalte hierarchisch zu ordnen, ist ein wichtiges Hilfsmittel. Für diejenigen, die den Inhalt pflegen. Nicht aber für die Nutzer, die nur lesen. Diese tippen ihren Suchbegriff in die Suche ein. Untersuchungen zeigen, dass Nutzer so gut wie nie browsen.
Deswegen und auch weil es für große, komplexe Bestände gar nicht anders geht, hat MediaWiki ein umfangreiches hierarchisierbares Kategorie-System, um die Pflege von Inhalten zu ermöglichen. Für Handbücher und ähnliche Inhaltsformate, sowie für kleinere Wissensbestände kann eine hierarchische, „kapitelartige“ Ordnung hilfreich sein. Vor allem am Anfang, wenn bekannte Dokumentbestände in das neue Medium überführt werden. Dazu werden im Wiki ganz einfach eigene Portalseiten angelegt. Zu erwähnen ist auch die Möglichkeit, Unterseiten (Subpages) anzulegen, die dann wichtig werden, wenn vertiefte Zusatzinformationen hinterlegt werden müssen, die vom inhaltlichen Format oder vom Aufbau her nicht in den Hauptartikel passen. Aber grundsätzlich lösen sich beim Übergang zum Wiki viele hierarchische Ordnungsstrukturen auf.
Über das Modul Bookmaker kann man in einem BlueSpice MediaWiki Einzelartikel ganz einfach per Drag&Drop in Bücher zusammenfassen und die hierarchische Kapitelnavigation auf den jeweiligen Seiten einblenden. Das gibt es alles.
Die Herausforderungen liegen mehr in der Grundkonzeption eines Wikis und die Pflege der Inhalte, die ja auch in hierarchischen Systemen nicht von allein geschieht. Und gerade hier hat MediaWiki viele Features (zum Beispiel die Wartungsseiten) entwickelt. Auch mit BlueSpice-Erweiterungen wie Workflow-Tool oder Seitenverantwortlichkeiten lassen sich diese Aufgaben im Griff behalten.

Hierarchische Kapitelnavigation: Artikel per Drag&Drop zu einem Buch zusammenfassen und auf jeder Seite innerhalb dieses Buches navigieren
Bessere Anbindung anderer Anwendungen
Das ist ein großes Thema und kann hier nur stenographisch beantwortet werden.
- Das Betreiben von Mitarbeiter-Blogs: BlueSpice bietet einen internen Blog. Für größere Blogfarmen ist WordPress die weltweit führende und beste Software. Diese kann beispielsweise mit BlueSpice an die Suche des Wikis angebunden werden. Mit WordPress öffnen sich zudem viele weitere Ausbaumöglichkeiten in Richtung Enterprise Social Media.
- Ticketsystem: Confluence kann das ebenfalls von Atlassian entwickelte Jira anbinden. Jira ist ebenso wie Confluence eine sehr gute Software. Die Open-Source-Variante dazu ist eindeutig OTRS, das schon fast in jedem Weltkonzern zum Einsatz kommt, wenn Kundenanfragen im großen Maßstab organisiert werden müssen. Wir verwenden OTRS auch – das ist also auch eine Lösung für KMUs.
- SharePoint: MediaWiki und BlueSpice MediaWikis lassen sich mit dem Modul SharePoint Connect anbinden.
Kleines Fazit
Für MediaWiki sind auf jeden Fall alle Funktionen verfügbar, die ein Unternehmenswiki braucht. Mit dem Vorlagensystem, den Pflegeseiten, den Auswertungsmöglichkeiten über semantische Erweiterungen bietet MediaWiki sogar Anpassungsmöglichkeiten, die bei anderen Lösungen fehlen.
Man muss bei der Planung von den Inhalten, den Nutzern und den Organisationsprinzipien ausgehen um dann eine tragfähige technologische Entscheidung treffen zu können. Das ist bei jeden Softwaretyp so und hier machen Firmenwikis keine Ausnahme. Und dabei kann MediaWiki oder Confluence die bessere Wahl sein.
Wichtig bleibt auch der Blick in die Zukunft:
- Confluence geht aus meiner Sicht sehr stark den Weg in Richtung einer zentralen Social Media-Suite und sieht sich immer mehr als Alternative zu Systemen wie Jive oder SharePoint. MediaWiki ist führend für die Themen Wissensmanagement und Dokumentation, vor allem wenn es um hochperfomante Lösungen geht. Die Entwicklungslinien unterscheiden sich.
- Zu beachten ist auch, dass über die freie Software MediaWiki und BlueSpice ein Vendor lock-in verhindert wird. Während man bei Lizenzmodellen die Wissensbestände nur genutzt werden können, solange man die Gebühren bezahlt, bleiben die Daten in einer freien (Standard-)Software dauerhaft verfügbar. Der Nutzer kauft Support, Wartung und Anpassung nach Bedarf. Da gilt übrigens auch für Cloud-Lösungen. Hier kann der Nutzer die Daten und die Software jederzeit mit nach Hause nehmen und in Eigenregie betreiben. Dazu demnächst mehr.
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